Krisenmodus: „Der Ausnahmezustand ist zum Dauerzustand geworden“

Das Wort des Jahres 2023 ist Krisenmodus. Diese Entscheidung traf eine Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden. Seit 1977 kürt die GfdS regelmäßig Wörter und Wendungen, die das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben eines Jahres sprachlich in besonderer Weise bestimmt haben.

Krisen gab es schon immer. Aber in diesem Jahr scheinen die Krisen und ihre Bewältigung zu kulminieren. Um einen Satz des Vizekanzlers zu modifizieren: Wir sind umzingelt von Krisen. Noch nicht bewältigte Krisen wie Klimawandel, der Russland-Ukraine-Krieg oder die Energiekrise werden von neuen Krisen eingeholt. Nahostkrieg, Inflation und Schuldenkrise kamen nun hinzu und auch die Bildungskrise spitzte sich zu. Der Ausnahmezustand ist längst zum Dauerzustand geworden. Gefühle wie Unsicherheit, Ängste, Wut, Hilflosigkeit und Ohnmacht prägen den Alltag vieler Menschen. Zwischen Apathie und Alarmismus zu einem angemessenen Umgang mit den andauernden Ausnahmesituationen zu finden, fällt schwer. Linguistisch zu beobachten ist dies an einer zunehmenden sprachlichen Radikalisierung im öffentlichen Raum, an Hatespeech in den sozialen Medien und an Verschwörungserzählungen.

Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS)

„Von »psychischen Belastungen durch Krieg, Corona, Klima« sprach Focus online (24.10.2023) und fokussierte: »Wir befinden uns seit Monaten im Dauerkrisenmodus, jetzt kommt auch noch die so genannte dunkle Jahreszeit dazu.«“, so Jochen A. Bär, GfdS. „Deutschland im KrisenmodusWelt im Krisenmodus, oder Leben im Krisenmodus lauteten andere Titel und Schlagzeilen. »Es ist Zeit, dass Deutschland den Krisenmodus abschüttelt«, erklärte Christian Böllhoff im Handelsblatt (5.2.2023). »Wir beenden nun den Krisenmodus expansiver Staatsfinanzen«, so Bundesfinanzminister Christian Lindner in der Zeit (5.7.2023) – allerdings bevor das Bundesverfassungsgericht seinen Haushaltsentwurf für rechtswidrig befand und ihm damit ein Milliardenloch (WdJ 2023: Platz 8) bescherte, zu dessen Deckung neue Schulden in Aussicht genommen werden mussten.      Ob angesichts der Weltlage ebenso wie der Situation im Inland aus dem Krisenmodusbald herauszukommen ist, darf bezweifelt werden. Umso wichtiger scheint es zu sein, den eigenen moralischen Kompass nicht zu verlieren. Man muss gar nicht unbedingt die Welt retten; es könnte genügen, unaufgeregt das zu tun, worin nach dem Urteil (krísis) des griechischen Philosophen Platon das Gute besteht: alle Menschen jeweils das, wozu sie im Stande sind.“

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