Kritik an der Presse oder berechtigte redaktionelle Freiheit? Ein Fallbeispiel aus Raunheim

In Raunheim ist es zu einem Konflikt zwischen der Freiwilligen Feuerwehr Raunheim, Bürgermeister David Rendel und der Main-Spitze gekommen. Streitpunkt ist die Entscheidung der Redaktion, ein Foto der Jahreshauptversammlung der Feuerwehr so zuzuschneiden, dass der Bürgermeister auf dem veröffentlichten Bild nicht mehr zu sehen ist. Die Feuerwehr und der Bürgermeister kritisieren diese Entscheidung scharf und sprechen von einer Missachtung der Funktion des Bürgermeisters und des Ehrenamtes. Die Redaktion und der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) Hessen weisen die Vorwürfe entschieden zurück und verweisen auf die Pressefreiheit und redaktionelle Unabhängigkeit.

Was ist passiert? Eine Gegenüberstellung der Sichtweisen

Die Perspektive der Feuerwehr und des Bürgermeisters

In einem offenen Brief an die Redaktion schildern die Freiwillige Feuerwehr Raunheim und Bürgermeister David Rendel ihre Sicht der Dinge. Der Bürgermeister war als oberster Dienstvorgesetzter bei der Jahreshauptversammlung anwesend und nahm wie üblich am Gruppenfoto der beförderten Feuerwehrleute teil. Als der Redakteur der Main-Spitze darum bat, ein Foto ohne ihn zu machen, lehnte er dies mit Verweis auf seine Funktion ab.

Bürgermeister Rendel erklärt:

„Es geht hier nicht um eine politische Inszenierung, sondern um die Wahrnehmung meiner offiziellen Funktion als oberster Dienstvorgesetzter. Das bewusste Entfernen aus dem Bild vermittelt ein falsches Bild und wird meiner Rolle und dem Engagement der Feuerwehr nicht gerecht.“

Bürgermeister David Rendel

Auch Stadtbrandinspektor Jan Christopher Gräf äußert Unverständnis:

„Wir fühlen uns in unserem Engagement nicht angemessen dargestellt. Die Unterstützung des Bürgermeisters ist für uns eine wichtige symbolische Geste, die nicht einfach weggeschnitten werden sollte.“

Stadtbrandinspektor Jan Christopher Gräf

Der offene Brief fordert eine Stellungnahme der Redaktion und betont, dass das Ehrenamt und die Feuerwehr durch solche Entscheidungen an öffentlicher Wertschätzung verlieren könnten.

Die Sichtweise der Main-Spitze und des DJV Hessen

Die Main-Spitze hat auf die Vorwürfe mit einer ausführlichen Stellungnahme reagiert. Die Redaktion betont, dass der Fokus der Berichterstattung auf den ehrenamtlichen Feuerwehrleuten gelegen habe und das Bild entsprechend gestaltet wurde. Manipulative Absichten weist die Redaktion entschieden zurück:

„Der Text unseres Freien Mitarbeiters rückt die Aufgaben und Verdienste der Ehrenamtlichen in den Mittelpunkt. Auch das von uns beauftragte Foto dient dazu, die beförderten Einsatzkräfte in den Vordergrund zu stellen. Eine Respektlosigkeit oder Missachtung der Funktion des Bürgermeisters können wir nicht erkennen.“

Marcel Großmann, Redaktionsleitung Main-Spitze

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) Hessen unterstützt die Redaktion und sieht die Pressefreiheit gefährdet, wenn Redaktionen in ihrer Bild- und Textauswahl unter Druck gesetzt werden. DJV Hessen-Vorsitzender Knud Zilian erklärt:

„Die Pressefreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes erlaubt Redaktionen, über die Gestaltung ihrer Berichterstattung selbst zu entscheiden. Redaktionelle Entscheidungen dürfen nicht unter politischen Druck geraten, auch wenn sie nicht jedem gefallen. Solche Angriffe gefährden die journalistische Unabhängigkeit.“

Knud Zilian, 1. Vorsitzender des DJV Landesverbandes Hessen

In seiner Stellungnahme weist der DJV darauf hin, dass die redaktionelle Entscheidung, den Bürgermeister nicht ins Zentrum der Berichterstattung zu stellen, keine Missachtung seiner Funktion darstelle, sondern eine übliche Praxis sei, um den Fokus auf die wesentlichen Akteure – in diesem Fall die beförderten Feuerwehrangehörigen – zu legen.

Rechtliche Einordnung: Pressefreiheit und journalistische Verantwortung

Rechtlich ist der Fall durch die Pressefreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) gedeckt:

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, und die Pressefreiheit sowie die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Das Hessische Pressegesetz (HPresseG) räumt Redaktionen umfassende Gestaltungsfreiheit ein. Der Zuschnitt von Bildern ist grundsätzlich zulässig, solange er nicht zu einer bewusst irreführenden Darstellung führt. In diesem Fall ist die Frage, ob der Zuschnitt des Bildes den Gesamtkontext verändert, eine Interpretationssache, die rechtlich schwer eindeutig zu beantworten ist.

Zugleich besteht die journalistische Sorgfaltspflicht, die Persönlichkeitsrechte zu wahren und wahrheitsgemäß zu berichten. Die Redaktion sieht den Bildzuschnitt als redaktionelle Entscheidung im Einklang mit diesen Vorgaben, während die Feuerwehr und der Bürgermeister dies als unglückliche Darstellung werten, die den falschen Eindruck erweckt.

Fazit: Dialog statt Eskalation

Der Fall Raunheim macht deutlich, wie unterschiedlich Perspektiven auf dasselbe Ereignis sein können. Beide Seiten haben nachvollziehbare Argumente:

Für die Feuerwehr und den Bürgermeister geht es um die angemessene Anerkennung ihrer Arbeit und die symbolische Bedeutung der Anwesenheit des Bürgermeisters.

Für die Redaktion und den DJV Hessen steht die Pressefreiheit und die redaktionelle Unabhängigkeit im Vordergrund – mit dem berechtigten Hinweis, dass journalistische Entscheidungen nicht unter Druck geraten dürfen.

Ein direktes Gespräch wäre der Schlüssel, um das Vertrauen zwischen den Beteiligten wiederherzustellen. Presse, Politik und Ehrenamt sind keine Gegenspieler, sondern Partner, die gemeinsam für das Wohl der Gesellschaft arbeiten sollten.

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