Am 2. Mai 2025 brachte Jan Böhmermann mit seiner Sendung ZDF Magazin Royale das Thema Hochwasserschutz auf die große Bühne der Satire – und damit in die breite öffentliche Wahrnehmung. Der Beitrag mit dem Titel „Mit uns die Sintflut“ greift eine brisante Mischung aus föderalem Kompetenzwirrwarr, schleppender Umsetzung und politischer Bequemlichkeit auf. Für viele, die im Bevölkerungsschutz oder in wasserwirtschaftlichen Behörden arbeiten, war dabei weniger neu – aber umso mehr bitter.
Zwischen Deichbruch und Demenz: Satire deckt Versäumnisse auf
Die Sendung beleuchtet unter anderem das Beispiel Düsseldorf, wo marode Rheindeiche seit Jahren bekannt sind, aber notwendige Maßnahmen ausbleiben. Wie t-online berichtet, sei allein die Sanierung des linksrheinischen Deichs in Heerdt seit 2006 (!) ein Thema – ohne dass nennenswerte Fortschritte erzielt wurden. Die NRZ spricht treffend von einer „Hochwasserdemenz“ – einem Zustand politischer Verdrängung trotz bekannter Risiken. Besonders scharf kritisiert wird der Umgang mit einem der betroffenen Grundstücke, das sich im Besitz einer Adelsfamilie befindet, deren hohe Entschädigungsforderungen offenbar jahrelang die Sanierung blockierten. Auch RP Online berichtet über die Hintergründe.
Ein weiteres Beispiel liefert Regensburg. Dort dauert der Bau eines Polders seit über einem Jahrzehnt, während die Bevölkerung mit wenig Transparenz über den Fortschritt im Unklaren bleibt. Die Mittelbayerische Zeitung dokumentiert, wie Landrätin Tanja Schweiger prompt auf Böhmermanns Kritik reagierte – ohne allerdings den Vorwurf der Verzögerung vollständig entkräften zu können.
„Wir kriegen das mit dem Hochwasserschutz nicht hin“ – oder doch?
In einem differenzierten Kommentar auf LinkedIn bringt Dr.-Ing. Martha Wingen, Expertin für Hochwasserschutz, die Wirkung des Beitrags auf den Punkt: Ja, es sei gut und richtig, dass das Thema endlich breite Aufmerksamkeit erhält. Denn meist sprechen wir über Hochwasser erst nachdem es passiert ist. Gleichzeitig bemängelt sie, dass viele wichtige Aspekte im Beitrag nicht durchdringen – etwa die komplizierten Abstimmungsprozesse im Föderalismus oder die durchaus vorhandenen Fortschritte in Teilen der Wasserwirtschaft.
Ein zentraler Kritikpunkt von Wingen ist jedoch: Der Beitrag suggeriert, Hochwasserschutz sei allein Aufgabe der öffentlichen Hand. Das sei nicht nur fachlich falsch, sondern auch gefährlich – denn es entlässt Bürgerinnen und Bürger aus der Eigenverantwortung. Mit ihrem Bildungsprojekt HochwasserTok will sie genau hier ansetzen und zeigt: Auch individuelle Vorsorge ist ein wichtiger Teil der Resilienz.
Risikokommunikation: Zwischen Vereinfachung und Aufmerksamkeit
Aus Sicht der Risikokommunikation erfüllt die Sendung trotz aller Zuspitzung eine wichtige Funktion: Sie macht ein abstraktes, verdrängtes Risiko sichtbar – emotional, verständlich und massenwirksam. Dass dabei komplexe Zusammenhänge verkürzt werden, ist aus fachlicher Sicht problematisch, aber medienlogisch kaum zu vermeiden. Entscheidend ist: Die Diskussion ist angestoßen.
Wer bislang keinen Zugang zum Thema Hochwasserschutz hatte, dem bleibt nun zumindest ein prägnantes Bild im Kopf – ob es der marode Deich in Düsseldorf ist oder die Forderung nach mehr Tempo in der Prävention. Gerade im Bevölkerungsschutz ist das Sichtbarmachen von Risiken und Vorsorgelücken eine Daueraufgabe – nicht nur nach Katastrophen. Solche Formate können Brücken schlagen: zwischen Fachwelt und Öffentlichkeit, zwischen Empörung und Engagement.
Die Herausforderung besteht nun darin, das mediale Momentum in langfristige Kommunikation, politische Umsetzung und individuelle Handlungskompetenz zu überführen.
Was jetzt zu tun ist:
- Politik: Zuständigkeiten entflechten, Umsetzung beschleunigen, Empfehlungen der Ahrtal-Kommissionen ernst nehmen.
- Fachwelt: Erfolge sichtbar machen, Komplexität besser kommunizieren, interdisziplinär arbeiten.
- Gesellschaft: Hochwasserschutz nicht nur als Behördenaufgabe sehen, sondern als Teil von Daseinsvorsorge, bei der jede*r gefragt ist.
- Kommunikation: Risiken wiederkehrend und verständlich thematisieren – nicht nur, wenn das Wasser steigt.
Fazit
„Mit uns die Sintflut“ ist mehr als eine bissige Medienschelte. Die Sendung liefert einen Weckruf – an Politik, Verwaltung und Gesellschaft. Hochwasserschutz kann nur funktionieren, wenn Zuständigkeiten klar, Prozesse entbürokratisiert und Empfehlungen konsequent umgesetzt werden. Was es braucht, ist ein echter Paradigmenwechsel in der Resilienzpolitik – und zwar bevor die nächste Katastrophe die Nachrichtenlage bestimmt.
Denn eines ist sicher: Das nächste Hochwasser fragt nicht nach Zuständigkeiten. Es kommt.